Naturschutzgruppe Witten - Biologische Station e.V.      
Naturschutz im mittleren Ruhrtal


Der Landkärtchenfalter (Araschnia levana) – Insekt des Jahres 2023

von Annette Schulte

Der Landkärtchenfalter, vom BFA (Bundesfachausschuss) Entomologie im NABU als Insekt des Jahres 2023 ausgerufen, hat seinen Namen aufgrund der stark geaderten Zeichnung seiner Flügelunterseiten. Die Spannweite beträgt drei bis vier Zentimeter. In Witten ist die Art (noch) regelmäßig anzutreffen.

Bekannt ist der Landkärtchenfalter, der häufig auch nur Landkärtchen, gelegentlich auch Netzfalter genannt wird, insbesondere aufgrund seiner zwei vollständig unterschiedlich aussehenden Generationen pro Jahr. Im Frühjahr schlüpfen leuchtend braunorange gefärbte Schmetterlinge aus den Puppen, die Sommergeneration hingegen hat die Grundfarbe schwarz mit weißen Bändern und gelblichen Flecken. Männchen und Weibchen kann man dabei nicht unterscheiden. Die Art ist eigentlich kaum zu verwechseln, lediglich die dunkle Sommerform ähnelt dem Kleinen Eisvogel (Limenitis camilla). Dessen Falter sind jedoch beträchtlich größer und die weiße Binde auf der Flügeloberseite ist stets deutlich breiter. Im Gegensatz zum Landkärtchen ist der Kleine Eisvogel in Witten und Umgebung bisher nicht nachgewiesen und auch allgemein deutlich seltener.

Man weiß zwar schon lange, wie die physiologische Steuerung der beiden verschiedenen Färbungen beim Landkärtchenfalter funktioniert, warum sie aber auftreten, welche möglichen evolutiven Vorteile dieses - Saison-Dimorphismus genannte – Phänomen für die Art bringt, ist bis heute unklar. Die unterschiedliche Färbung wird hormonell durch die Dauer des Tageslichtes während der Raupen- und Puppenphase gesteuert. Die orangenen Falter, die etwa von Ende April bis Anfang Juni zu beobachten sind, haben sich aus Larven entwickelt, die im vorhergehenden Spätsommer und Herbst kurzen Tageslängen ausgesetzt waren und als Puppe überwintert haben. Die nachfolgende Generation erlebt als Raupe die langen Sommertage im Juni. Die Entwicklung geht schnell und die Puppenphase ist kurz, so dass im Juli und August die 2. Faltergeneration – jetzt mit dunkler Flügeloberseite – zu beobachten ist. Sie ist meist deutlich individuenreicher als die Frühjahrsgeneration, da aufgrund der kurzen Entwicklungsphase im Sommer die Verluste an Raupen und Puppen relativ gering sind. Die lange Puppenruhe über den Winter hinweg führt dagegen zu höheren Verlusten und somit zu relativ wenigen Faltern im Frühjahr.

Der Landkärtchenfalter ist in Nordrhein-Westfalen und auch in ganz Deutschland weit verbreitet und ungefährdet. Die Ansprüche an seinen Lebensraum sind dennoch komplex. Bevorzugt werden schattig-feuchte Waldränder bzw. Waldwege oder -schneisen, soweit sowohl geeignete Blütenpflanzen für die Falter als auch Brennnesselbestände als Raupenfutterpflanzen in räumlicher Nähe vorhanden sind, da die Schmetterlinge relativ ortstreu sind. So fliegen die Männchen immer wieder dieselbe Strecke von 10 bis maximal 50 m auf der Suche nach paarungsbereiten Weibchen an Waldwegen oder Waldrändern auf und ab.

Die Falter der Frühjahrsgeneration bevorzugen gelb blühende Hahnenfußgewächse wie Kriechenden und Scharfen Hahnenfuß (Ranunculus repens, R. acris) oder die Sumpfdotterblume (Caltha palustris) als Nektarquelle. Von der Sommergeneration werden in erster Linie weiß blühende Doldenblütler wie Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium) und Wald-Engelwurz (Angelica sylvestris) aufgesucht. Die Eiablage und Raupenentwicklung findet an der Großen Brennnessel (Urtica dioica) statt. Dabei legen die Weibchen die Eier in Form kunstvoller, kleiner Türmchen an der Blattunterseite ab, und zwar ausschließlich an Orten mit hoher Luftfeuchtigkeit, also bevorzugt in Feuchtgebieten, entlang von Gräben oder Bächen. Hier zeigt jedoch in anschaulicher Weise, wie auch eine relativ häufige Art von den Folgen des Klimawandels betroffen sein kann. Hatte der Landkärtchenfalter seit den 1960er Jahren zunächst von den steigenden Stickstoffeinträgen aus Landwirtschaft und Straßenverkehr, die immer mehr Brennnesseln wachsen ließen, profitiert, so ist seit einigen Jahren wieder ein Rückgang der Art zu beobachtet. Dem Landkärtchen wird es offenkundig zu warm und zu trocken.

In Witten ist das Landkärtchen häufig im Ruhrtal und in den bewaldeten Bachtälern im Süden anzutreffen. Doch in den letzten heißen und trockenen Sommern fielen zahlreiche Gewässer, darunter auch viele Bäche, trocken. Brennnesselbestände gibt es dort zwar weiterhin, aber es fehlt vielfach an der notwendigen hohen Luftfeuchtigkeit, die die Raupen zur Entwicklung benötigen. So liegen der NaWit aus den letzten Jahren regelmäßige Nachweise des Landkärtchenfalters vor allem aus dem Elbschebachtal und dem Kermelbachtal vor – zwei Bachsysteme, die auch in den Extremsommern noch Wasser führten. Außerdem werden in beiden Waldgebieten von der NaWit artenreiche Wiesen in Bachnähe durch Mahd gepflegt, die den Faltern das notwendige Blütenangebot bieten. Die eigentlich allgegenwärtigen Brennnesseln alleine reicht also zum langfristigen Erhalt der Art nicht aus. Komplexe Lebensraumstrukturen wie schattige innere und äußere Waldränder, Feuchtbereiche und blütenreiche Saumstrukturen bzw. Wiesen müssen dazu in unmittelbaren räumlichen Zusammenhang erhalten, gepflegt und geschützt werden.

Hier finden Sie eine Liste der Tagfalter und Widderchen in Witten und Umgebung

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